Salve allerseits,
Post by Lars GebauerPost by Stefan+ (Stefan Froehlich)Post by Lars GebauerPost by Stefan+ (Stefan Froehlich)Ah, und da siehst Du kein relevantes, politisches Spektrum mehr?
Kommt ganz darauf an, was Du als "relevant" betrachten willst.
Alle Gesellschaftsschichten abdeckend?
Dann hast Du aktuell so ca. 1/10, welches aktiv ausgegrenzt wird
Nein.
+--- <hier abknabbern> ---
| Das deutsche Parteiensystem ist im Wandel. In den letzten Jahren hat
| sich ein Fünfparteiensystem herausgebildet und in der jüngsten
| Vergangenheit streben neue politische Gruppierungen in die Parlamente,
| während etablierte Kräfte aus ihnen zu verschwinden drohen. Zunehmend
| setzen den politischen Parteien auch kleinere Klientelgruppierungen zu,
| deren Anspruch weit über die Realität ihres politischen Wirkens
| hinausgeht. Sie zehren in Abgrenzung zu den etablierten Parteien von
| einem vermeintlich „anderen Stil” und von den Hoffnungen, die in sie
| hineinprojiziert werden, seien sie auch noch so weltfremd.
|
| Die Veränderungen in der Parteienlandschaft haben zu lebhaften Debatten
| über die Zukunft der Volksparteien, über Koalitionsoptionen, aber auch
| über die Stabilität des politischen Systems geführt. Auflösung sozialer
| Milieus, nachlassende Parteibindungen, rückläufige Stammwählermilieus,
| volatiles Wahlverhalten sowie mangelnde Mobilisierungs- und
| Integrationskraft der Volksparteien sind die Indikatoren des Wandels.
|
| Über viele Jahrzehnte hinweg konnten die Volksparteien zahlreiche
| gesellschaftliche Gruppen und ihre verschiedenen Interessen integrieren.
| Durch diese Leistung entstand ein Parteiensystem, dessen Stabilität
| wesentlich zum Zusammenhalt der Bundesrepublik und zur Sicherung der
| Demokratie beitrug. Diese Stabilität stellte jedoch nicht nur den
| innergesellschaftlichen Interessenausgleich her, sondern verhalf auch
| der Bundesrepublik zu einem beispiellosen Aufstieg in der Nachkriegszeit.
|
| In der Geschichte der Bundesrepublik spannte sich so vom Höhepunkt der
| Ära Adenauer bis zum Ende der Ära Kohl ein großer Bogen, der stets auf
| zwei Säulen ruhte: auf einem stabilen Parteiensystem und auf einer
| Politik des sozialen Ausgleichs. An ihre Hochphase in den 1960er und
| 1970er Jahren, als die Volksparteien die Unterstützung breitester
| Wählerschichten fanden, konnten sie zwar schon in den anschließenden
| Jahrzehnten nicht mehr anknüpfen. Ihre Fähigkeit, stabile Regierungen
| zu bilden, blieb von dieser Entwicklung zunächst aber unberührt. Mit
| zunehmender Fragmentierung des Parteiensystems scheint jetzt auch diese
| Fähigkeit gefährdet. Vermehrt werden Stimmen in Wissenschaft und Presse
| laut, die von einer Krise der großen Volksparteien sprechen
| oder gar das Ende der Volksparteien ausrufen.
|
| Letztlich geht die These vom Ende der Volksparteien von einem Ideal aus,
| dem die Volksparteien möglicherweise noch nicht einmal in ihrer
| Hochphase in den 1960er und 1970er Jahren entsprochen haben. Angesichts
| dieses Ideals muss die Realität immer als Geschichte des Verfalls
| erscheinen; eine „Wiederherstellung” der Volksparteien wird so zur mal
| erreichbaren, mal unerreichbaren Utopie.
|
| Denn auch heute noch sind es die Volksparteien, die aufgrund ihrer
| programmatischen Breite, ihrer Fähigkeit zur Integration und zum
| Interessenausgleich mehrheitsfähige politische Lösungen anbieten. Sie
| sind die entscheidenden politischen Gestalter und Stabilisatoren in
| unserer parlamentarischen Demokratie. Auch das Parteiensystem ist bei
| allem zu beobachtenden Wandel durch eine beachtliche Kontinuität und
| Stabilität gekennzeichnet.
|
| Die Volksparteien müssen jedoch in einem komplexeren und schwierigeren
| Umfeld agieren. Die Herausforderungen der Globalisierung und die
| überschuldeten öffentlichen Haushalte haben in den letzten Jahren
| nachhaltige Reformen dringend notwendig gemacht. Der Reformdruck führte
| zu einem Paradigmenwechsel in der Geschichte der Bundesrepublik, deren
| Folgen in einem gewandelten Parteiensystem sichtbar werden.
|
| Was die Zukunft bringt, weiß niemand mit Gewissheit. Aber die Analyse
| der gegenwärtigen Situation der Volksparteien macht deutlich, dass sie
| keineswegs am Ende sind. Ihre gesellschaftliche Verankerung hat zwar
| nachgelassen, sie sind jedoch handlungsfähig und haben die besten
| Voraussetzungen, um ihr Schicksal nicht interessierten Kommentatoren zu
| überlassen, sondern selbst in die Hand zu nehmen.
+--- </hier abknabbern> ---
©<https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=52c3cb53-925e-50d3-430e-bbf094ce9524&groupId=252038>
M.f.G.
--
Diese E-Mail-Adresse wird nur aus nostalgischen Gründen verwendet. Sie
wird praktisch nie gelesen. Das MausNet ist nicht tot – es riecht nur
etwas komisch... ;-)