2018-07-01 09:36:00 +0200
Post by Dr. Joachim Neudert...
---------------------------
Interviewer: Das kann man wohl sagen - nachdem Steven Weinberg begonnen
hatte, die Idee vom Multiversum gut zu finden, redete jeder davon, und
als Laie konnte man verschiedentlich den Eindruck bekommen, es sei nun
wissenschaftlch erwiesen, dass unser Universum nur eines von unendlich
vielen ist. Diesen Zahn ziehen Sie Ihren Lesern aber gründlich.
Da bin ich nicht die Erste, die sagt, dass beim Multiversum
wissenschaftlich nichts dahinter ist. Diese Idee ist praktisch komplett
nutzlos. Man kann damit nichts ausrechnen, was in unserem Universum
beobachtbar wäre. Für das, was sich da ausrechnen lässt, reicht dieses
eine Universum vollkommen. Das ist das Problem - nicht, dass wir diese
Paralleluniversen nicht beobachten können. Theoretische Objekte, denen
nichts entspricht, was wir direkt messen können, das gibt es anderswo
auch, in der Quantenmechanik zum Beispiel.
-------------
Unfug.
Mit derselben Argumentation müsstest Du die
SchwarzSchildMetrik verwerfen, also die Struktur
der RaumZeit in einem Schwarzen Loch. Kein
Physiker, den man in ein SL schickt, kehrt je
wieder zurück, um darüber zu berichten.
Er kann allerdings in seinen letzten Minuten
noch einige Messungen machen - glauben wir.
Wenn er unmittelbar nach Durchqueren des
EreignisHorizonts in Marmelade ertränkt wird,
würden wir darüber genauso wenig und genauso
viel darüber erfahren.
Was die VielWeltenInterpretationen betrifft,
so muss man zwei begriffliche Unterschiede
machen, um überhaupt darüber reden zu können.
Zunächst gibt es nicht nur die
VielWeltenInterpretation im Everettschen
Sinne, sondern auch noch einige andere - die
einfachste davon ist ein unendlich ausgedehntes
Universum, in dem sich jede Variante der
Realität irgendwo wiederholt. Natürlich kann
man dieses Argument als GegenArgument für ein
unendlich ausgedehntes Universum nehmen, wenn
man unbedingt möchte - das ist dann wie die
Argumentation von Prof. Norbert Dragon aus
Hannover, der meinte, MWI geht nicht weil
"absurd". Eine mathematische Argumentation hat
er jedoch nicht angeführt, obwohl er mit seinen
mathematischen Fähigkeiten mir meilenweit
überlegen ist. Sieg in der ersten Runde!
Es sei denn, man führt eine strenge (mathematische)
Definition von "absurd" an, und ein Argument, das
Absurdität verbietet.
Der zweite begriffliche Unterschied ist: Ist
die VielWeltenInterpretation eine Eigenschaft
unserer mathematischen Beschreibungen der
Realität, oder eine Eigenschaft der Realität
selber? Wenn sie bloss eine Eigenschaft unserer
Mathematik sind, dann sind unsere mathematischen
Beschreibungen unvollständig, und wir könnten
statt dessen ebensogut Bibel oder Koran oder
tibetanisches TotenBuch zitieren und uns weitere
Bemühungen in den exakten Naturwissenschaften
schenken.
Wenn aber unsere mathematischen Beschreibungen
vollständig sind, dann haben wir es mit den
mathematischen Strukturen zu tun, die
ParallelWelten beschreiben. Willst Du diese
als einen blossen mathematischen Trick abtun?
Willst Du etwa eine willkürlich herausgegriffene
SuperPositionsKomponente der Lösungen der
SchrödingerGleichung als real einstufen,
bloss weil sie gerade mit unserer Realität
zusammenpasst? Die Beliebigkeit in der
mathematischen Beschreibung der Realität?
Um bei der MWI der QuantenMechanik zu bleiben:
Ohne die MWI brauchst Du zwei völlig
unterschiedliche VerfahrensWeisen, um irgend
etwas auszurechnen: Da ist die absolut
deterministische SchrödingerGleichung (oder
ihre relativistischen Verallgemeinerungen),
die solange gilt, wie niemand etwas misst.
Sie ist nicht nur deterministisch, sondern
auch invertierbar, das heisst, keine der
Richtungen der Zeit ist bevorzugt. Sie bildet
einen "Unitären Operator", und was das ist,
bitte ich in der Literatur der mathematischen
Physik nachzusehen.
Wenn aber jemand etwas misst, gibt es
plötzlich eine völlig andere SpielRegel:
Eine ZufallsEntscheidung für das MessErgebniss,
und die alternativen Realitäten werden
weggeworfen und spielen nicht mehr mit.
Das ist nicht deterministisch, und das ist
auch keine unitäre Abbildung. - Gott würfelt,
aber nur, wenn jemand misst!
Eine solche Auffassung der Realität und ihrer
Beschreibung heisst, auf das Betreiben von
Physik zu verzichten.
Mir ist es eigentlich gleich -
NaturGesetze sind nichr verhandelbar und sind
immer am längeren Hebel - wobei, das gebe ich
zu, bei den VielWeltenInterpretationen der
Hebel immer unsichtbar bleibt.
Im Falle der MUH (Mathematical Universe
Hypothesis) ist dieser Hebel sogar ein
doppelter, nicht nur, weil die MUH *jede*
VielWeltenInterpretation unterstützt,
sondern weil sie eine eigenständige
Existenz der Realität ausserhalb ihrer
mathematischen Beschreibung als unnötig
feststellt.
Und ist das nicht die einfachste Antwort
auf die Frage, warum es überhaupt etwas
gibt? Es gibt uns nicht! Da ist natürlich
Platz genug für all die vielen RealitätsZweige
und all die vielen Universen.
Platon hat gar nicht gewusst, wie sehr er
Recht gehabt hat.
Herwig (early morning reboot)